Superfood 

Die Namen dieser Nahrungsmittel sind ebenso exotisch, wie die Orte, wo sie herkommen: Camu, Maca, Açai und Lucuma sind nur einige davon. Deren Verzehr soll dem Körper den Gesundheitskick verleihen, den er brauchen würde, um Krankheiten abzuwehren und den Alterungsprozesses zu stoppen. Superfoods sind keine mystischen Elixiere der Gesundheit und ewigen Jugend, sondern nährstoffreiche Lebensmittel, die in Zeiten von Fastfood, Pizza und Salamibrötchen etwas in Vergessenheit gerieten.

 

Cacao Nibs aufs selbst gemachte Müsli streuen, seinen grünen Smoothie mit Algenpulver anreichern und keinen stinknormalen Joghurt mehr essen, ohne wenigstens einige Goji-Beeren unterzurühren – das tun heutzutage Veganer, Sportler und Ernährungsbewusste. Diese  Menschen folgen der Vermarktung von besonders nährstoffreichen Beeren, Obst und Gemüse als gesundheitsförderndem Superfood. Sie versprechen einen höheren gesundheitlichen Nutzen als andere Nahrungsmittel. Die Geschichte dahinter hört sich so an: In einem weit entfernten Land lebt ein Naturvolk, das dank des betreffenden Superfoods keinen Brustkrebs, kein Übergewicht oder nur selten Herzinfarkt bekommt. Faktoren wie Bewegung, sonstige Ernährung oder Stress werden bei den Erzählungen über das neueste Wunder-Essen gern verschwiegen. Der Mythos ist dabei offenbar ein gutes Kaufargument. Gesundheitsbewusste Menschen wollen sich stets besser ernähren und verhalten sich bei «gesunden» Lebensmitteln weniger preissensibel.

 

Superfoods können den Körper durch ihre gesunden Inhaltsstoffe im Heilungsprozess unterstützen oder von vorneherein das Immunsystem stärken. Zweifelsohne enthalten zahlreiche dieser Lebensmittel Vitamine und sind reich an Proteinen. Doch werden wir tatsächlich nur dann gesünder und schöner, wenn wir Açai-Beeren essen?

 

Tatsächlich hat die Açai einen hohen Gehalt an Anthocyanen. Dieser dunkle Pflanzenfarbstoff wirkt antioxidativ, das heisst, er schützt die Körperzellen vor freien Radikalen. Dieser gesundheitliche Nutzen wurde beim Menschen bislang noch nicht bestätigt. «Aber die brasilianische Beere enthält auch Fett (Omaga-3-Fettsäuren), was zu Übergewicht führen kann. Daher brauche es keinen exotischen Energie-Lieferanten», meint Daniela Graf vom Max-Rubner-Institut, dem deutschen Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel. Diese «Wunder»-Nahrungsmittel wirken nicht immer wunderbar. Beispielsweise können Goji-Beeren die Wirkung von gerinnungshemmenden Medikamenten stören. Chia-Samen, die wegen ihrer angeblich schlank machenden Effekte derzeit sehr angesagt sind, enthalten Saponine. Sie können die Darmschleimhaut reizen. Gerbstoffe im Amaranth-Getreide bremsen die Aufnahme von Vitaminen und Mineralstoffen im Körper.

 

Gesunde Lebensmittel vor der Haustüre

An der Açaí oder auch an der Goji zeigen sich das Grundproblem vieler Superfoods: Die Konsumenten bekommen sie selten frisch. Weil Superfoods den Weg zu uns nicht überstehen, werden sie vor Ort getrocknet oder zu Pulpe (einer breiigen Masse) verarbeitet. Wie viel Superfood später im Endprodukt steckt, erkennt der Verbraucher nicht, so Graf. Übrigens würden zuckerreiche Müslis oder Milchprodukte mit ein paar Açaí-Beeren nicht gesünder. Superfoods müssen nicht aus exotischen Ländern stammen, um gesund zu sein. Der Blick vor die eigene Haustüre, in den Garten und das Gemüseregal im Bioladen bieten eine grosse Vielfalt. Früchte, Gemüse und Beeren aus heimischen Gefilden können wir saisonal frisch kaufen. Auf bekannte Lebensmittel zu setzen, ist oft nicht nur genauso gesund und günstiger, sondern auch sicherer. Die exotischen Früchte bieten oftmals ein schwer einschätzbares Allergiepotential, da der Körper mit bislang unbekannten Eiweissen in Kontakt kommt.

Grünes Blattgemüse ist vielleicht nicht so sexy wie eine Goji-Beere, aber trotzdem super gesund. Löwenzahn, Brennnesseln, Kräuter wie Basilikum oder Petersilie und Gemüse wie Spinat oder Sellerie liefern wichtige Vitamine und Mineralstoffe. Die einheimischen Heidelbeeren, Brombeeren oder Himbeeren können punkto Nährstoffe mit den exotischen Beeren locker mithalten. Insbesondere Heidelbeeren wurden häufig wissenschaftlich untersucht, um deren gesundheitlichen Eigenschaften zu erforschen. Sie zeichnen sich durch eine hohe Konzentration einer bestimmten Gruppe von Antioxidantien, vor allem Anthocyane, aus, die das Wachstum krebsartiger Dickdarmzellen beim Menschen hemmen und sie sogar abtöten. Heidelbeeren sind zudem reich an weiteren Antioxidantien, die in Studien an Ratten dem altersbedingten Gedächtnisschwund vorbeugen und ihn umkehren konnten. Rotkohl, rote Trauben, Holunder und schwarze Johannisbeeren sind ebenfalls reich an Anthocyan und können es locker mit der exotischen Açai aufnehmen.

Ähnlich wie der Granatapfel ist auch der Randen zu einem Superfood erklärt worden, das gut für das Herz sein soll. Der hohe Nitratgehalt würde vom Körper in Stickstoffmonoxid umgewandelt, das neben anderen Funktionen nachweislich den Blutdruck senke und die Tendenz zur Blutgerinnung beim Menschen mindere.

 

Fazit

Die Vorstellung von Lebensmitteln, die einen aussergewöhnlichen Gesundheitsnutzen haben, ist sehr attraktiv und hat das öffentliche Interesse an Superfoods beflügelt. Die Wissenschaft hat gezeigt, dass bestimmte Bestandteile in Lebensmitteln und Getränken womöglich besonders gut für die Gesundheit sind. Gleichzeitig ist es unrealistisch zu erwarten, dass diese Superfoods unser Wohlbefinden signifikant steigert. Bei der Betrachtung der wissenschaftlichen Erkenntnisse über Superfoods ist die Frage zu berücksichtigen, wie sich diese in echte Ernährungsweisen umsetzen lassen.

 

 Um eine ausgewogene Nährstoffaufnahme sicherzustellen, müssen wir uns vielfältiger ernähren, anstatt uns lediglich auf eine Handvoll angeblicher Superfoods zu konzentrieren. Insbesondere gehört hierzu der Verzehr einer grösseren Menge und Vielfalt an Obst und Gemüse. Übrigens bat das Institute for Functional Medicine in Washington kürzlich zehn Ernährungsexperten, ihr persönliches Superfood zu wählen. Welches Food war neben Sauerkraut ganz vorn dabei? Spinat.

 

«Eure Nahrung soll eure Medizin und eure Medizin soll eure Nahrung sein.»

Hippokrates