Köchelverzeichnis – Mozart kulinarisch

Joannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus Mozart – das Amadeus hat er sich selber aus einer Laune heraus gegeben – ass gerne, er war sinnesfroh und alles andere als ein Asket. Doch ebenso wenig war er ein Gourmet, gar Schlemmer.

 

Wenn heute eine Salzburger Familie sich dringend eine Muscherl-Suppe wünscht, ist der Weg vom Wunsch zur Erfüllung kurz und für gewöhnlich unkompliziert. Die Muscheln finden sich in gleich mehreren Fischhandlungen, die übrigen Zutaten sind in jedem Delikatessengeschäft zu bekommen. Der gleiche Wunsch, geäussert von Wolferl, Nannerl und Leopold Mozart, konnte Maria-Anna, die Mutter, vor einige Probleme stellen. Vor allem die Muscherl-Beschaffung liess sich nicht zu allen Jahreszeiten bewerkstelligen. Vielleicht hatte man beim Fischhändler am Löchlbogen Glück. Das Grünzeug konnte man auf dem Marktplatz bekommen. Butter und Schmalz und Wein erforderten Gänge in verschiedene Geschäfte, aber das liess sich machen. Das Olivenöl aber war wieder nicht so einfach zu erhalten.

 

Käse kaufte man in der Churfürststrasse, Eier und Milch in der Sigmund-Haffner-Gasse und Brot beim Ritzerbogen. Und oft richtete sich das Menü nicht nach dem Wunsch der Tafelrunde, sondern nach den Angeboten der Händler, die sich wiederum nach Jahreszeiten, Strassenzuständen, Krieg und Frieden zu richten hatten.

 

Gasthäuser in der Nähe

Die Familie Mozart hatte es, wurde einmal nicht im Hause gekocht, nicht weit zu einem «gutbürgerlichen» Gasthaus – der «Elefant» lag (und liegt noch heute) ums Eck, wenige Schritte vom Rathaus entfernt, das Gasthaus «Zum Mohren» befindet sich heute wie zu Mozarts Zeiten in der an die Getreidegasse anschliessenden Judengasse. Von Johann Lorenz Hagenauer, dem Hausherrn der Mozarts in der Getreidegasse, wissen wir, dass er nicht nur gerne zum «Mohren» ging, sondern überhaupt ein Freund des Gastgewerbes war. Gemessen am nahen «Mohren», muss der Weg zum «Schwanen» auf der stolzen Höhe des Müllner Bergs schon Ausflugscharakter gehabt haben. Man suchte diesen «weissen Schwan», nicht nur wegen des bei den Augustinern von Mülln gebrauten Bieres auf, sondern auch wegen seines grossen schattigen Gastgartens.

Zu den Leibspeisen Mozarts gehörten Rindfleisch mit Senf, Backhendl, Stör in Kapernsauce, Kalbszungen, Saiblinge, süsse Feigen, Fasan, Wachtel und gebratene Kapaune. Auch bei den Getränken hatte er klare Vorlieben. Champagner und Madeira zählten ebenso dazu wie Grüner Veltliner, der damals schon so etwas wie der österreichische Leitwein war. Wolfgang Amadeus Mozart berichtet wenig von seinen Speisen. Viel lieber und inniger hingegen von seiner Verdauung; in den Briefen finden sich zahlreiche Passagen, die vom «Furzen» künden und recht derb vom «Output» auf der Toilette, die er «Häusel» nennt. An sein geliebtes Augsburger «Bäsle» schrieb er im Herbst 1777: «Jetzt wünsch ich eine gute Nacht, scheissen Sie ins Bett, dass es kracht, schlafen Sʼ gesund, recken Sʼ den Arsch zum Mund...»

 

Inspiration zum Kochen

Das Köchelverzeichnis, von Christoph Wagner und Gerhard Tötschinger geschrieben, vereint zahlreiche Rezepte aus der Mozartzeit. Wer glaubt, dieses «Köchelverzeichnis» sei ein Kochbuch wie jedes andere auch, nur eben mit etwas älteren Rezepten, der irrt. Vergeblich wird der an die minuziösen Mengenangaben neuzeitliche Meisterköche gewöhnte Hobbykoch Vergleichbares in diesem Büchlein suchen. Dies geschieht, laut den Autoren, allerdings keineswegs aus Schlamperei. Im Gegenteil. Der Grund liegt vielmehr im völlig anderen Umgang unserer Vorfahren mit ihren Kochbüchern. Das barocke Kochbuch verstand sich nämlich viel eher als Inspiration denn als Kochanleitung. Die Grundtechniken, die auf dem Wege der Überlieferung von Köchin zu Köchin weitergegeben wurden, setzte man ohnedies als gegeben voraus. In der Komposition der Zutaten hatte die Benützerin eines barocken Kochbuchs daher nahezu freie Hand und jede Menge individueller Variationsmöglichkeiten. Letzteres trifft übrigens auch auf die Orthographie zu, die zur Mozartzeit längst nicht in ein so strenges Korsett gezwängt war wie heutzutage. Kostproben:

 

Gefüllte Lämmerne-Brüstl

Zutaten:

Lammbrust

Sellerie (Zeller)

3–4 Eier

einige Eidotter

Butter

gemischte Kräuter

Semmeln zum Einweichen

Salz

Pfeffer

 

Zubereitung:

Nimb Lämmerne-Brüstl so vil du willst, nimb gequellten Zeller, mach ein Eingerührtes von drey oder vier Eyern mit frischen Butter, Marchgrüne Kräuter, eingeweichte Semmelschmollen, hacke diss alles durch einander mit ein paar frischen Eyerdottern, gewürtz es lind und füll die Brüstel damit.

 

Kälbern-Schlegel mit geselchten Zungen gespickt

Zutaten:

1 mittelgrosser Kalbsschlögel,

gekochte geselchte Zungen

Ochsenmark

Butter

Sardellenfilet

Kapern (Capri)

Zwiebel

Zitronenschale (Limonischale)

Salz

Muskatnuss

Nelken (Neglein)

2 Gläser Wein

Rindsuppe

Rahm.

 

Zubereitung:

 

Nihm einen mittleren Schlegel, ausgewaschen und gesalzen, bereits gesottene geselchte Zungen, diese geschält und in halbe Finger-lange, kleine, dinne Stücklein geschnitten, ausgelöste Sardellen sauber gewaschen, nihm auch Ochsenmark, stich in den Schlegel Lucken und spicke denselben mit vorgenannten schön ordentlich. Wann dieses geschehen, überlege ein Rein gut mit Butter, wenig Muscat, die Zwiebel-Häupel mit Neglein besteckt, von einer Lemoni die Schalen, und zwey Gläsel Wein daran, und ein wenig Rind-Suppen. Decke ihn zu, lass ihn zwey Stund dünsten, kehre ihn bisweilen um, wann er schön mürb ist, nihm eine Hand voll Capri, hacke es klein, Milchrahm, gut gewürzt, rühre es daran, lass noch ein wenig aufdünsten, die Brühe darüber angericht und auf die Tafel geben. Doch was wäre Joannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus Mozart ohne sein musikalisches Schaffen? Barbara Helfgott und ihre Frauen pflegen diese Musik auf hohem Niveau.

aus Köchelverzeichnis – Rezepte aus der Mozartzeit

Christoph Wagner und Gerhard Tötschinger

Verlag Anton Pustet Salzburg