Chef Alps 2019

Was und wie wird heute gekocht? Das internationale Cooking Summit ChefAlps bot zahlreiche Antworten auf diese und weitere Fragen. Dafür sorgte ein Aufgebot an Spitzengastronomen. Weltklasse-Sommelier und Maître Josep Roca aus Spanien, Patissier René Frank sowie die Chefs Heiko Antoniewicz und Adrien Hurnungee aus Deutschland, Soren Selin aus Dänemark, Philip Rachinger aus Österreich, César Troisgros aus Frankreich, Syrco Bakker aus den Niederlanden und Karime Lopez aus Italien. Sie boten dem Fachpublikum in Zürich-Oerlikon mit ihren packenden Bühnenshows inspirierende Aha-Erlebnisse.

 

«Hier präsentieren zu können, war eine unglaublich positive Erfahrung. Noch nie zuvor habe ich so ein konzentriertes und interessiertes Publikum wie hier an der ChefAlps in Zürich erlebt. Eine grosse Ehre für mich», bringt Josep Roca seine Begeisterung zum Ausdruck. Mittels Videos und Slides versucht Josep Roca das Unmögliche möglich zu machen. Das komplexe Universum und Gesamtkunstwerk des Restaurants Celler de Can Roca in Girona hier erklären zu wollen.   Josep Roca ist für das Food & Wine Pairing im El Celler de Can Roca verantwortlich. Gleichzeitig dirigiert er als Maître das Zusammenspiel im höchst ausgezeichneten Restaurant. Er gilt als als einer der weltweit kreativsten Sommeliers. Im Dreiklang mit seinen Brüdern Joan (Chef de Cuisine) und Jordi (Patissier) gelingt es Josep, Weine in Gerichte zu transzendieren und nahezu grenzenlose assoziative Verbindungen mit Aromen und Texturen zu erschaffen. Indem Weine reduziert werden, verdickt, gefroren, vakuumimprägniert, zerstäubt, geliert oder sphärifiziert werden. Diese kreativen Prozesse kombinieren Wissenschaft, Kunst, Literatur, Musik und Sensorik, bis hin zur Pädagogik und Psychologie. «Indem wir Wein als Hauptzutat ansehen, können wir die Begriffe umkehren und Texturen sowie Behältnisse austauschen, sodass der Wein etwa auf dem Teller serviert und mit dem Löffel gegessen werden kann und das Dessert dafür in einem Weinglas serviert wird», erklärt er. Auch für mich wird es unumgänglich, diesen Ort der Magie selbst zu erleben.

 

Kochen mit Asche

Heiko Antoniewicz und Adrien Hurnungee stellen ihr neustes Forschungsprojekt «Kochen mit Asche» vor. Die beiden Spitzenköche widmen sich der wissenschaftlichen Entwicklung innovativer Kochtechniken und noch unentdeckter Geschmacksrichtungen. Sie halten gemeinsam Profiseminare und sind Autoren zahlreicher Kochbücher. Diese avancierten jeweils zu Grundlagenwerken und wurden in Genussbuchwettbewerben wie dem Literarischen Wettbewerb der Gastronomischen Akademie Deutschlands e.V. oder dem swiss gourmetbook award mehrfach prämiert. Dank dem Molekularbiologen Michael Podvinec wurden wissenschaftliche Zusammenhänge der Lebensmittelzubereitung und –veredelung verständlich. Asche zieht Wasser aus den Lebensmittel, verdichtet das Aroma und wirkt antimikrobiell. Schon die Mayas und Azteken konservierten ihre Maiskörner in Asche. Antoniewicz und Hurnungee produzieren in verschiedenen Sequenzen und mit unterschiedlicher Hitze von 40 bis 900 Grad Asche und experimentieren, wie sich der Geschmack von Lebensmitteln verdichten, erweitern und konservieren lässt. 

Dessertmenüs

Spitzenpatissier René Frank wollte ursprünglich nur eine Bar mit Drinks und Desserts eröffnen und sich von der Sternegastromie verabschieden. Nun ist sein Restaurant CODA in Berlin Neukölln aber so einzigartig und so revolutionär, dass es von Michelin mit einem Stern ausgezeichnet wurde. Serviert wird ein mehrgängiges Dessert-Menü mit passenden Drinks. Natürlich sind diese Desserts nicht klassische Süssspeisen, sondern komplexe Kreationen, die alle fünf Geschmackssinne ansprechen. Neben süss, sauer, salzig und bitter also auch den fleischigen Umamigeschmack. Das sei die grösste Herausforderung und auch extrem wichtig, damit man ein Sättigungsgefühl habe, ohne dass man zu viel ist. «Mein Alptraum wäre, dass jemand nach unserem Menü raus geht und sagt, so, jetzt brauch ich einen Burger!». Er vermeidet Convenianceprodukte, wie sie noch oft in der Patisserie verwendet werden. Er vermeidet vor allem raffinierten Zucker. «Ein guter Koch verwendet kein Glutamat. Und ein guter Patissier sollte keinen industriellen Zucker verwenden». Und er vermeidet das Wort vegan. Seine Kreationen, sagt er, sind zum grössten Teil pflanzenbasiert. Die natürliche Süsse stecke in den Zutaten. Man müsse nur wissen, wie man sie herausarbeitet. Indem man Früchte extrem lange reifen lässt zum Beispiel, oder Zutaten so lange konzentriert und reduziert, bis sich die Stärke in Zucker wandelt. Wie auch durch Amakaze-Fermentation mit Kojipilzen, wie es die Japaner praktizieren. Für seine Gerichte lässt er sich von anderen Ländern inspirieren. «Im Iran gibt es eine Süssspeise mit Rindermark. Wir haben einen Kuchen mit Rindermark im Menü.» Ein Drink sieht er grundsätzlich als flüssige Speise, deshalb verarbeiten und kombinieren sie die Zutaten auch gerne auf ungewohnte Weise und mischen verschiedene Weine oder ergänzen Sake mit Säften oder anderen alkoholischen Getränken. «Beim Food und Drink Pairing zielen wir auf Multisensorik.»

 

Erinnerungen schaffen

Der derzeit weltbeste Koch (San Pellegrino) Massimo Bottura hat mit Karime Lopez einer jungen Mexikanerin die Geschicke des Gucci-Restaurants in Florenz anvertraut. In ihrem Menü will sie verschiedenartigste Erinnerungen mit den besten Produkten Italiens kombinieren. Selbst die Avocado in einem eher mexikanischen Gericht kommt aus Sizilien und auch die Maissorten (gelb, weiss und rot) sind italienischen Ursprungs, denn «es macht meiner Meinung nach keinen Sinn, Mais aus Mexiko in Italien zu verwenden», so sympathische Köchin.

         Syrco Bakker kocht im Pure C in Cadzand direkt an der niederländischen Nordseeküste. Erfahrungen bei Sergio Herman haben ihn an die Kochspitze Niederlands geführt. «Oft sind nur Steinbutt, Kabeljau oder Seezunge gefragt, Beifang wird deshalb tot ins Meer zurückgeworfen.» Die neu gegründete Vereinigung «North Sea Chefs» will dem entgegenwirken, indem auch weniger bekannte Fische den Weg auf die Teller der Gäste finden sollen. In Zürich bereitete er einen Sea dog zu.

 

Soren Selin hat bereits dreimal das «Dänische Gericht des Jahres» erkocht. Und dies in Kopenhagen – einem sehr heissen Pflaster, was hochstehende Kulinarik betrifft. Selin kombiniert nordische Zutaten mit modernen Techniken. Ihn und damit seine Küche prägen drei Prinzipien:

1. verwende das beste verfügbare Produkt

2. behandle es mit grösstem Respekt

3. kombiniere die Produkte kreativ

 

Zu seiner Arbeitsweise gehört auch der Grundsatz, dass man nicht zu lange darüber nachdenken sollte, ob etwas schmecken könnte. «Der Geschmack soll sich einem sofort erschliessen», sagt der Däne. 

 

Bei Philip Rachinger im Restaurant Mühltalhof in Neufelden (A) kommt das Unkraut aus dem Wald ebenso auf den Tisch wie Fisch und Fleisch aus der Region. Vor einem Jahr hat er den Betrieb seines Vaters übernommen und baut ihn nun zu seinem eigenen aus und um. Dazu gehört die geplante offene Küche, die den begabten Entertainer näher zu seinen Gästen bringen soll. Er sei ebenso gerne draussen im Restaurant wie drinnen in der Küche. Der 30-jährige Koch tritt nicht nur virtuos auf der Bühne auf, er will auch, dass «das Essen Spass macht», das sei «super wichtig». Man müsse beim Fine Dining die Balance finden und «ab und zu einen Schritt zurück machen, und das zubereiten, was man selber gerne essen würde», ist Rachinger überzeugt. Fleisch spielt eine wichtige Rolle in seinem Menü, und wird «wenn, dann richtig serviert». Vom Reh, das in Österreich natürlich in bester Qualität zu finden ist, gibt es einen Raviolo vom Schlegel mit Maibock-Consommé, Morcheln, dann die gekochte und glasierte Schulter sowie den gedämpften Rücken, gewürzt mit Maiwipferl (Fichtensprossen), roten Johannisbeer-Blättern und Gin sowie Cassis-Sauce und als Beilage werden Leinöl-Kartoffeln auf den Tisch gestellt. Rachinger rangiert derzeit als fünftbester Koch Österreichs «50 Best Chefs Austria».

Spannende Neuigkeiten waren auch an den Marktständen von über dreissig innovativen Ausstellern zu entdecken und ausgiebig zu degustieren. Das Eldorado für Profis reichte in der Markthalle und auf der Galerie im StageOne von nicht alltäglichen Produkten und Ausstattungen für die Gourmetküche über erlesene Kochbücher und Fachmagazine bis hin zu spannenden Start-ups und Kleinproduzenten in der Newcomer Zone.

Das 8. International Cooking Summit ChefAlps bot erneut einen einmaligen gehaltvollen Mix. Wer sich ernsthaft und vor allem leidenschaftlich mit Spitzengastronomie beschäftigt, wollte offensichtlich dieses Gipfeltreffen der Kochszene nicht verpassen. 1100 Besucher fanden den Weg in die Eventhalle. Das 9. International Cooking Summit ChefAlps findet am 17. und 18. Mai 2020 statt.