Sommelier: Regisseur über Freud oder Leid

Die Situation ist bekannt und spielt sich täglich tausende Male ab: Der Gast hat im Restaurant Platz genommen, die Serviette mit elegantem Schwung entfaltet und schon steht der Weinkellner (auch Sommelier genannt) am Tisch und fragt nach einem Apérowunsch. Nun beginnt für den Gast entweder eine genussfördernde Kooperation oder eine Leidensgeschichte.

 

 

 

Über Heil oder Unheil entscheidet zum einen der Sommelier: Wie gut kennt er sich in der Weinwelt aus, wie erfahren

ist er in der Kombination von Speise und Getränk, wie hoch ist seine Menschenkenntnis, vermag er den Gast richtig einzuschätzen, berät er subtil oder von oben herab? Zum anderen spielt naturgemäss auch der Gast eine Hauptrolle: Ist er weinerfahren, souverän oder unsicher, hat er Sinn für neue, ihm bislang vielleicht unbekannte Gewächse oder setzt er konservativ nur auf Vertrautes, lässt er sich beraten oder mimt er den grossen Zampano? Zum Handwerk des Sommeliers gehört selbstverständlich, dass er die Weine seines Kellers kennt und dass er im Detail über die Zubereitung der Gerichte informiert ist, um entsprechende Weinempfehlungen zu geben. Wer sich einen Sport daraus macht, besonders teure Weine zu verkaufen, ist deplatziert und schadet auf Dauer jedem Restaurant. Die Kunst liegt darin, ein Gespür für den Gast zu entwickeln, ihm Alternativen zu nennen und den Eindruck zu vermitteln, er, der Gast, habe letztlich die Entscheidung getroffen. Die Basisinformation ist und bleibt freilich die Weinkarte. Deren Gestaltung kann bereits darüber entscheiden, wie durstig der Gast sich fühlt, ob er Lust auf Neues bekommt oder notorisch bei seinem Rosé bleibt.

 

Regel 1: Die Menge der aufgeführten Weine ist nicht immer so wichtig wie die Qualität und vor allem die Bandbreite. Wer dreissig Sorten Champagner führt und Hunderte von Bordeaux-Gewächsen bis zurück ins 19. Jahrhundert, kann stolz sein, aber wichtiger ist, dass der sogenannte Mittelbau mit Preisen bis zu ca. 50 Franken breit gefächert ist. Unerlässlich ist heute ein gutes Angebot an Weissweinen, speziell Edelsorten wie Riesling, Chardonnay, Sauvignon blanc, Weissburgunder und natürlich Grüner Veltliner. Zunehmend interessant werden Rotweine aus Österreich.

Regel 2: Keine Poesie! Immer noch gibt es Kommentare zu Weinen, die aus der Zeit der Spätleseromantik stammen. Da wimmelt es von blumigen Ausdrücken wie saftig, edel, hochedel, weinig und so weiter. Das stösst ab, zumal sich die Wortblumen bei vielen Weinen wiederholen. Wünschenswert sind gekonnte Beschreibungen, die den Typ des Weins prägnant treffen, also, ob er leicht ist oder schwer, fein oder wuchtig, blumig oder mineralisch, kraftvoll oder zart, jung oder ausgereift und so weiter.

 

Regel 3: Nischen einbauen. Zwischendrin in jeder Abteilung empfiehlt sich die Platzierung eines besonders günstigen Angebots. Der kundige  Weinfreund, der es erkennt und nutzt, wird auf seine Entdeckung stolz sein und darüber im Freundeskreis berichten. Das ist Dienst am Gast, beste Werbung und steigert obendrein den Umsatz.